Nachhaltiges Design - Möbel aus Altkleidern, Bananenfasern, Zuckerrüben - WELT

2021-10-22 08:48:32 By : Malik Zhu

Was tun mit den Bergen von Alttextilien, die zum Beispiel in großen Wäschereien und Krankenhäusern anfallen? Sie sind im Laden- und Möbelbau einsetzbar! In Form von MDF-ähnlichen Platten. Die ursprüngliche Idee hatte der dänische Modeunternehmer Klaus Samsøe: Stoffreste werden gemahlen und die Fasern anschließend mit Hitze, Druck und Bindemitteln zu Platten verpresst. 2013 gründete er Really mit zwei Partnern, darunter der heutige CEO Wickie Meier. Vier Jahre später wurde schließlich das „Solid Textile Board“ präsentiert, ein hochverdichtetes textiles Plattenmaterial, das gesägt, gefräst, geklebt und geschraubt werden kann. Es ist doppelt so stabil wie MDF – aber mit einem Quadratmeterpreis von 83 Euro deutlich teurer.

Während die Platten bereits in verschiedenen Ladeneinrichtungen und Showrooms eingesetzt werden – bei Mads Nørgaard, Helly Hansen, Kvadrat – wird auch mit einzelnen Möbelstücken experimentiert. Im Herbst 2018 präsentierten die Designer Laura Jungmann und Jonathan Radetz den Hocker „Shingle“, der auch gestapelt als Raumteiler genutzt werden kann.

Als das Schweizer Taschenlabel Qwstion nach einem nachhaltigen Ersatz für die üblichen erdölbasierten Nylon- oder Polyesterstoffe suchte, stieß es auf die philippinische Abacá-Bananenpflanze, die weder Dünger noch Pestizide benötigt und deren Fasern traditionell aus Seilen bestehen. Die Entwicklung des mit Bienenwachs behandelten Canvas-Gewebes namens Bananatex, das leicht, strapazierfähig und sogar wasserdicht ist, dauerte drei Jahre. Einziges Manko des Bananen-Canvas: Mit 27 Euro pro Meter ist das Material aktuell fast zehnmal so teuer wie ein vergleichbares Material aus konventioneller Baumwolle. Seit Anfang des Jahres ist die erste Rucksack- und Taschenkollektion aus Bananatex auf dem Markt.

Es hilft gegen Wadenkrämpfe und wird vor allem im Flugzeug- und Automobilbau eingesetzt – Magnesium ist 30 Prozent leichter als Aluminium, aber auch 30 Prozent teurer. Dass es konstruktiv stabiler ist, dh schlankere Konstruktionen möglich sind, macht es für den Möbelbau interessant. 2001 hatte der Brite Ross Lovegrove bereits einen Stuhl aus dem Metall entworfen, der jedoch knapp 16 Kilogramm wiegt. Magnesium wird heute eher als Alternative zu Kunststoff gehandelt.

Die schlanke „Vela“, die das israelische Designduo Kuchik und Amitai gerade für das italienische Unternehmen Magis entworfen hat, ist für den Innen- und Außenbereich geeignet, stapelbar und wiegt nur 2,5 Kilogramm, lässt sich also problemlos mit nur einer Hand anheben. Wer jedoch glaubt, seinen Magnesiumbedarf durch Saugen an der Stuhllehne decken zu können, wird enttäuscht: Die Möbel sind mit einer Pulverbeschichtung versiegelt.

Der Name ist Programm: „On & On“ heißt das Stuhlprogramm, das die Briten Edward Barber und Jay Osgerby für das amerikanische Unternehmen Emeco entworfen haben – mit der Vorgabe, dass Stühle und Hocker recycelt werden können. Sie bestehen zu 70 Prozent aus der neuesten, sehr glatten Version von rPET, hergestellt aus recycelten PET-Flaschen (plus 10 Prozent ungiftiges Pigment und 20 Prozent Glasfaser für die Festigkeit) und sind unendlich recycelbar. Gregg Buchbinder, CEO von Emeco, will aus dem Material aus alten Stühlen neue Stühle machen – ein endloser Kreislauf.

Es versteht sich von selbst, dass ein Unternehmen wie Kartell, dessen Produkt-DNA aus Erdöl besteht, nach Alternativen sucht. Das erste marktreife Produkt – die Bio-Variante des Klassikers Componibili – besteht aus „Biokunststoffen“. Dieses Material – genauer: ein Polyhydroxyalkanoat (PHA) – wird durch Fermentation hergestellt und wird von Bakterien produziert, die sich von Abfällen ernähren, die von Pflanzen wie Zuckerrüben oder Zuckerrohr, Kartoffeln oder Obst stammen. Das Material des italienischen Unternehmens Bio-on hat ähnliche Eigenschaften wie petrochemische Kunststoffe wie Polypropylen und Polyester, ist aber biologisch abbaubar. Auch der Luxuskonzern Kering, zu dem Marken wie Gucci und Saint Laurent gehören, erforscht mit Bio-on Einsatzmöglichkeiten in seiner Brillensparte.

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